Von Farbe, Banken und Hochzeiten …

Die Renovierungen haben begonnen! … und sind schon fast wieder vorbei. Der erste Raum (Wohnzimmer) ist bereits vollständig gestrichen und auch vom zweiten kann man das fast schon sagen. Wenn wir unseren Plan einhalten können, können wir bereits morgen die Pinsel an die Wand hängen und die Farben im Regal verschwinden lassen. Danach kümmern wir uns noch darum, das Mobiliar etwas aufzufrischen und die Elektronik auf den neusten Stand der Dinge zu bringen um die Wohnung dann hoffentlich in einem Zustand zu haben, in dem man es ein ganzes Jahr aushalten kann.

Chinesische Farbe mag ja vieles sein und in jedem Fall günstig, aber gesund ist sie sicherlich nicht, und so riecht sie auch … und logischerweise auch unsere ganze Wohnung. Und das teilweise so extrem, dass man es überhaupt nicht da drinnen aushält, was Leon und mir aber die Möglichkeit gab, ein wenig an fremde Wohnungen zu gewöhnen. So verbrachten wir die Nacht auf Montag bei Philipp und Pascal an der Yi Zhong und heute haben wir uns bei Simon, David und Leo an der Minzu eingeladen. Aber dazu später mehr …

Obwohl wir uns die letzten Tage doch sehr stark aufs Renovieren konzentriert haben, waren wir auch in anderen Bereichen nicht untätig. So setzten wir auch unsere Projektarbeit fort, indem wir die sechs Spendenboxen, die in Lanping verteilt sind und Spenden für das Hygieneprojekt generieren sollen, entleerten. Mit sechs Einkaufstüten voll mit Kleingeld ging es dann an die Yi Zhong zum Zählen der Einnahmen und zum gemeinsamen Mittagessen in der Schul-Mensa. Nach erfolgreichen Essen ging es dann mit dem Geld (weiterhin in Einkaufstüten) zur nächstbesten Bank um den ganzen Haufen an Kleingeld groß zu tauschen. Natürlich musste dafür das ganze Geld in der Bank noch einmal gezählt werden, doch wo in Deutschland jeden Dorfsparkasse geeignete Zählapparate besitzt, setzten sich in China vier Bankangestellte um einen Tisch und zählen den ganzen Haufen von Hand (umgerechnet immerhin knapp 150 Euro in 10-Cent-Stücken). Wir wurden natürlich eingeladen das ganze Treiben zu bestaunen und weil wir ja nicht so sind, boten wir auch unsere Hilfe an und durften daraufhin  die Münzen zu Zehnerstapeln zusammenlegen. Die ganze Prozedur wurde dann nur noch witziger, als die Chinesen in einer Basteleinheit a la Waldorfschule (mir sei dieser kleine Ausreißer verziehen) anfingen Münzrollen zu kleben und der Filialchef das ganze besichtigte, während ein Mitarbeiter begann das Ganze fürs Familienalbum festzuhalten.

An dieser Stelle soll nun eine Entschuldigung von mir stehen: eine Entschuldigung, dass in fast jedem meiner Blogartikel vom zum Teil intensiven Alkoholkonsum berichtet wird. Wenn dadurch das Bild entsteht, dass wir quasi die ganze Zeit trinken würden tut mir das Leid, das ist nicht so! Und doch gehört es einfach zur Kultur, speziell der Minderheiten aus Yunnan, häufig Alkohol zu trinken. Und das nicht nur Abends mit den Freunden, oder der Familie, sondern zu deutlich mehr Anlässen: so stehen zum Beispiel auch häufig offizielle Geschäftsessen unter dem Einfluss von Alkohol. Ob das nun an der Armut dieser Provinz liegt, oder daran, dass viele Menschen (besonders in den Dörfern) ihren eigenen Alkohol, brauen, weiß ich nicht, es gehört einfach dazu. So waren wir gestern beispielsweise mit einem chinesischen Geschäftsmann und wichtigem Kontakt essen. Nach dem Essen lud er uns zu sich in die Wohnung ein und öffnete wie selbstverständlich eine Flasche Reiswein, die wir dann zu acht lehrten.

So, ich hoffe ich habe mich nun genug gerechtfertigt. Kommen wir endlich zur eigentlichen Geschichte: Wie gesagt schliefen wir in der Nacht zu Montag an der Yi Zhong, obwohl wir das eigentlich schon eine Nacht früher geplant hatten … Doch wie so oft kam etwas dazwischen, in diesem Fall die Person von Mike, die uns zu der Hochzeit seiner Schwester einlud. Da man so etwas natürlich schlecht ablehnen kann machten Philipp, Pascal Leon und ich uns zum Abend hin bereit um von Mike eingesammelt zu werden. Als wir nun am Ort des Geschehens, einer Art Mischung aus Partykeller und Hotelzimmer eintrafen, mussten wir sehr schnell feststellen, dass es sich vielmehr um die Aftershowparty, als um die eigentliche Hochzeit handelte. Wie zu erwarten floss der Alkohol und die Stimmung war gut. Der Ablauf des Abends bestand darin, dass ein ganzes Tablett an Kurzen mit Bier gefüllt wurden und dann ein oder mehrere Hochzeitsgäste ein Spiel oder eine Herausforderung vorschlugen, die das Brautpaar und/ oder die Trauzeugen bewältigen mussten. Schafften sie dies, so mussten die Gäste das Bier leeren, misslang ihre Bemühungen so mussten sie selbst trinken. Als das Brautpaar dann mit deinen europäischen Gästen anstoßen wollte begann für uns der Abend erst richtig: Auf die kurze, chinesische Ansprache des Bräutigams und als dieser sein Bier schon im Mund hatte erwiderte Pascal ein lautstarkes „Yi lau she„ (was so viel bedeutet wie: auf ex!), womit jener wohl nicht gerechnet hatte. Zumindest prustete er vor Lachen sein gesamtes Getränk in den Raum, während wir Freiwilligen, zusammen mit den restlichen Gästen in grenzenloses Gelächter ausbrachen. Die Situation war einfach so urkomisch, dass man es hier schlecht darstellen kann, es war aber einfach zu Totlachen. Auf jeden Fall war danach das Eis gebrochen und einer der Gäste begann, die Ausländer stetig mit frischem Bier zu versorgen. Nach einer guten Stunde dann wurden wir herausgefordert doch selber mal ein deutsches Spiel vorzuschlagen. Da uns im Moment aber nichts einfiel (Spielkarten hatten sie auch nicht da), konnten wir uns zunächst damit rausreden ein deutsches Lied zu singen: Bruder Jakob.

Im Laufe des Abends wurde die Stimmung immer besser und der eigentlich Ablauf wurde immer mehr aufgelockert … Wir ließen uns dann noch dazu durchringen ‚Macarena‘ vor zu tanzen und den Chinesen eine Art von Bierpong beizubringen. Als dann schließlich alle (auch die Bierreserven) am Ende waren und die Party sich allmählich auflöste, hatte Mike noch eine kleine Überraschung für uns parat: Fragt mich nicht warum oder für wen, aber auf jeden Fall zog Mike zwei Hotelschlüssel aus der Tasche und erklärte, wir würden heute Nacht im Hotel schlafen. Dort fuhren wir dann also hin und konnten ein ordentliches (nicht nach Farbe stinkendes) Zimmer, mit einer normalen Sitztoilette, sowie einer warmen Dusche genießen. Dadurch musste dann aber auch unsere Übernachtung an der Yi Zhong verschoben werden.

Der nächste Tag war dann ganz der Erholung gewidmet … fast den gesamten Tag saßen wir in der Wohnung der Yi Zhong und spielten eine Runde Majiang nach der anderen, nur um am Abend zu Minzu zu fahren um da weiter zu spielen … Majiang!? Ein chinesisches Gesellschaftspiel, mit Steinen, bei dem es darum geht eine bestimmte Konstellation zu erlangen und das möglichst als Erster. Wo wir schon einmal dabei sind, sei hier noch kurz erwähnt, dass Pascal seit letzter Woche in Besitz des begehrten Majiang-Wanderpokals ist. Seit der letzten Generation tragen die Freiwilligen aus Lanping und Jinding nämlich regelmäßige Majiang-Turniere aus. Dem Gewinner winken Ruhm und Ehre und natürlich der einmalige Wanderpokal, denn Leon und ich schweren Herzens abgeben mussten (das letzte Turnier der letzten Generation hatte nämlich Freddy aus Jinding gewonnen und wir so den Pokal geerbt). Die aktuelle Mission ist jetzt jedoch eindeutig: Zurückgewinnung des begehrten Stücks … und natürlich aus des Ruhms und der der Ehre.

Ansonsten geht es uns allen hier gut, die Renovierungen sind, wie gesagt, fast abgeschlossen und auch die erste kleine Erkältung habe ich eigentlich ganz gut überstanden. Die Schule wird für Leon und mich wohl erst nächsten Monat losgehen, was uns aber nicht daran hindert bei unseren Mitfreiwilligen öfters mal im Unterricht vorbei zu schauen …

Soweit erst mal von mir, ich hoffe ihr seid alle wohl auf und bis zum nächsten Mal!!

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Tante Gabriele (Freitag, 26 September 2014 08:48)

    Lieber Till,
    endlich habe ich jetzt festgestellt, dass und wie man sich die Fotos auch größer angucken kann (Computer-Talent!), zum Beispiel die gegrillten Heuschrecken und natürlich auch die anderen Fotos von Euch und Euren chinesichen Freunden. Es sieht ja sehr freundlich und großzügig bei Euch aus. Fast fühle ich mich genau so zuhause in Lanping und Jinding, nur was es mit der Yi Zhong auf sich hat werde ich noch ergründen, ich hoffe Wikipedia weiß bescheid. Ich wünsche Euch jedenfalls sehr, dass Euer Zimmer nicht mehr so doll nach Farbe stinkt, gibt es vielleicht auch eine Jugendherberge vor Ort?
    Herzliche Grüße und weiter viel Spass
    Gabi

  • #2

    Gudrun, Frank und Oma Alma (Freitag, 26 September 2014 16:11)

    Lieber Till,
    wir haben sozusagen Tränen gelacht, als wir Deinen netten Bericht gelesen haben.
    Die sogenannte "Hochzeitsfeier" muß ja wirklich super lustig gewesen sein.
    Du hast so richtig toll geschrieben, das man sich das gut vorstellen kann, wie gastfreundschaftlich und locker die Chinesen sind. Du mußt Euch auch nicht rechtfertigen ..... schön das Ihr alles so "intensiv" miterleben könnt. Wir hoffen doch wohl, das Du den "Majiang" Wanderpokal auch einmal stolz in Deinen Händen in Ruhm und Ehre halten wirst. .... Toi Toi Toi
    Alles Gute für die nächsten Tage und interessante Erlebnisse in der Schule.
    Zum Schluß noch eine Frage: Habt Ihr auch schon die Kleidung aus den Spendenboxen "persönlich" verteilt ??
    Liebe Grüße von den 3 Adendorfern