Die Freiwilligen aus der Tigersprungschlucht

Wie bereits erwähnt, war für uns (Philipp, Pascal, Simon, Leon und mich) nach der Besteigung des Xuebangshan noch lange nicht Schluss. Nicht einmal anständiges Ausschlafen am nächsten Morgen war uns vergönnt, denn in alle Frühe ging es für uns mit dem Bus nach Lijiang, ein wenig (knapp vier Stunden mit dem Bus) östlich von Lanping. Wir wollten die Feiertage zum chinesischen Nationalfeiertag nutzen um die Stadt zu besichtige und primär, die bekannte Tigersprung-Schlucht zu durchwandern. Wir stiegen also Donnerstagmorgen, noch erschöpft vom Vortag in den Bus und kamen am frühen Nachmittag in Lijiang an. Nachdem wir etwas gegessen und uns ein sehr charmantes Hotel in einer Seitengasse gesucht hatten, nutzen wir den Rest des Tages für eine kleine Stadtwanderung.

Wir zogen also los, in Richtung der bekannten Altstadt von Lijiang und dort angekommen wurde uns schlagartig klar, warum Lijiang immer als Touristenstadt ausgegeben wird: die gesamte Altstadt glich einem einzigen Konsumtempel, der nur darauf ausgelegt schien möglichst vielen Touristen, möglichst schnell, möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen … und obwohl die gesamte Stadt voll mit (aufgrund der Feiertage hauptsächlich chinesischen) Touristen war, verlor sich doch nicht ihren Charme und letztendlich hat sie doch auch Vorteile, so eine Touristenstadt: Zum einen sahen wir zum ersten Mal seit einem Monat wieder Ausländer und man konnte sich dabei fast vorstellen, was die Chinesen dazu bewegt uns in Lanping hinterher zu glotzen. Außerdem durften wir live Zeugen einiger der größten westlichen Errungenschaften werden: McDonald’s, KFC und Pizza Hut, alles drei direkt nebeneinander … obwohl wir dann doch dem chinesischen Essen treu blieben reichte ihre bloße Anwesenheit aus, um die Stimmung zu heben. Und natürlich erlebt man noch eine ganze Menge mehr in solch einer Stadt wie Lijiang: von Adlern, Affen und Lamas, mit denen man Fotos machen konnte, über unterhaltsame Stadtführer und aufdringliche Straßenverkäufer war für jeden Geschmack das Richtige dabei. Und dabei reichte es eigentlich schon sich an die Seite der Straßen zu setzten und das Treiben zu bestaunen … Wir gingen dann aber auch recht bald zum Hotel zurück, denn das eigentliche Abenteuer wartetet ja noch.

Am nächsten Morgen ging es wieder in aller Frühe in den Bus, wir waren es ja allmählich gewöhnt … und nach noch einmal knapp drei Stunden Fahrt ließ uns der Busfahrer auf einer staubigen Landstraße raus, deutete den Hang hinauf und brauste davon. Nachdem uns ein Bauer ebenfalls den Weg den Hang hinauf bestätigt hatte, zogen wir also los. Zunächst ging es noch recht unspektakulär eine Schotterpiste den Berg hinauf, doch als wir einige hundert Meter über der Straße um den Berg in ein neues Tal (eben jene Tigersprung-Schlucht) einbogen zahlten sich bereits jetzt die Mühen das Aufstieges aus: ein wunderschönes, tiefes Tal, von irgendwo das Brausen eines wilden Flusses und im Hintergrund ein Gebirgszug, der durchaus mit den Alpen oder dem Himalaya mithalten kann rundete das ganze Bild ab. Auch hier kann man eigentlich nur Bilder sprechen lassen (und das werde ich gleich auch) aber ein paar Erlebnisse wollen doch geschildert sein:

Wir zogen also weiter und es ging immer noch steil den Berg hoch und hinter jeder Ecke verliebte man sich nur noch mehr in die unbeschreibliche Schönheit dieser Landschaft. Da verkraftet man es sogar, mit einem Rucksack mitten in der Mittagssonne und ohne nennenswerten Schatten einen steilen Berg hoch zu klettern. Auf dem Weg trafen wir immer wieder auf Bauern, die an Ständen am Wegesrand Getränke, frisches Obst, Schokoriegel und ab und zu auch traditionelle chinesische Medizin, oder einfach nur Marihuana verkauften. Und noch eine Menschengruppe traf man da oben in den Bergen mit großer Vorliebe: Europäer! Während die Chinesen scheinbar zu faul sind um sich durch die Berge zu schleppen, sehen das speziell europäische Studenten scheinbar etwas anders: Italiener, Schweden und eine ganze Menge Franzosen sind nur einige Gruppen, denen wir den Tag über begegneten. Und wie man es kennt, wenn viele Menschen einen Weg gehen, trifft man immer wieder dieselben Menschen, und schließt auch Freundschaften. So lud uns beispielsweise eine Schwedin, die in Shanghai studiert ein, wir können sie ja mal an der Küste besuchen kommen.

So ansträngend die Tour war, so wunderschön war der Ausblick: Mittagessen in einem Dorflokal mit wunderschönen Ausblick über die ganz Schlucht und weiter geht’s. Mittlerweile zum Glück nur noch eben, den Hang entlang. Und weil man das alles eben auch ein wenig genießen will, Fotos machen und sich in keinem Fall hetzt, wurde es bei uns dann zum Abend hin doch recht knapp mit der Zeit, sodass wir uns (urplötzlich) in der Dämmerung wieder fanden und die letzte Stunde im Dunkeln den Berg hinunter kraxeln durften um zum Hostel im Tal zu gelangen, mittlerweile wieder mit den Schweden und einigen Franzosen. So gefährlich das eventuell wirken mag, so wunderschön war es: die düstere, majestätische Schlucht und darüber ein wunderschöner Sternenhimmel, wie man ihn in Deutschland eigentlich nie findet, überstrahlt von dem strahlenden Vollmond, der die ganze Schlucht in ein märchenhaftes Licht tauchte und ganz nebenbei auch den Weg ganz gut ausleuchtete. Als wir dann endlich das lang ersehnte Hostel erreichten (wir waren bis hierhin knapp über zehn Stunden unterwegs) gab es noch ein deftiges Abendessen und dann schnell ins Bett! Das war ja schließlich erst der erste Tag …

Am nächsten Morgen mieden wir die steilen Hänge der Schlucht, sondern wanderten noch einmal zum Fluss am Fuß der Schlucht um einen der drei, namensgebenden Tigerfelsen zu bestaunen … Dank der Schatten der Berge war der Weg hinunter noch ganz angenehm und schließlich standen wir auf Felsen am Ufer des Flusse und sahen dem wilden Treiben zu, das wir ja bereits am Vortag vernommen haben. Bilder! Ihr seid dran …

Der Aufstieg zurück zur Straße erwies sich dann, aufgrund der mittlerweile hoch am Himmel stehenden Sonne als deutlich ansträngender, als noch der Hinweg. Steile, in den Fels gehauene Stufen und alte, rostig Leitern brachten uns zwar schnell, aber auch verdammt ansträngend zurück zur Straße. Da wir noch einige Stunden Zeit hatten, bis uns der Bus wieder nach Lijiang bringen sollte, genehmigten wir uns zunächst ein gutes Mittagsessen (wieder mit einer wundervollen Aussicht) und zogen danach zu einem abgelegenen Wasserfall um noch einmal ‚duschen‘ zu gehen; die Schweden und Franzosen vom vorigen Abend waren übrigens wieder dabei. Nach der erfolgreichen ‚Dusche‘ konnte jeder von uns ein Lied davon singen, was kalt wirklich bedeutet, denn gefühlt war das Wasser nur nicht gefroren, weil es den Berg runter fließen konnte …

Das war dann auch schon fast das Ende unserer ersten China-Reise. Wieder in Lijiang genossen wir den letzten Abend bei einem kühlen Bier in einer urigen Kneipe in der Altstadt und stießen auf dieses einmalig tolles Erlebnis an …

Jetzt in Lanping genießt man wirklich wieder das vertraute Umfeld der neuen Heimat, Leon und ich freuen uns auf unsere ersten Unterrichtsstunden, die die nächsten Tage los gehen werden und Leonard kommt auch demnächst aus Kunming wieder, wo er seine Familie abholt, die ihn für einige Wochen hier besucht. Ihr seht also: hier ist Alles gut, das Leben nimmt seinen Lauf und voller Schrecken haben wir feststellen müssen, dass der erste von zwölf Monaten bereits verstrichen ist … wie schnell das alle geht!

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