Endlich wieder Unterricht!

Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Satz einmal aussprechen werde, aber es ist tatsächlich so. Ich will mich ja gar nicht beschweren, (quasi) Ferien sind ja auch gar nicht so schlecht, und doch war es ein gutes Gefühl, endlich wieder die Schulbank zu drücken … oder besser gesagt: drücken zu lassen!

Aber dazu in ausführlicher Form gleich mehr. Fast zehn Tage gab es nun schon keine Neuigkeiten von mir, aber ja, ich lebe immer noch! Es ist einfach nicht so viel passiert, worüber man groß berichten könnte. Im Vergleich zur vorherigen Woche war echt wenig los. Und doch ist schon etwas passiert: So hatten wir beispielsweise die Projektübergabe, bei der Leonard uns endgültig in die verschiedenen Projekte eingewiesen hat und wir in der Gruppe über unsere Ziele für das nächste Jahr gesprochen haben. Außerdem kam Leonards Familie uns besuchen. Und wenn man sich diese ‚Neulinge‘ angeschaut hat, wurde einem immer wieder deutlichst bewusst, wie sehr man sich bereits an die neue Heimat gewöhnt hat und wie grün man noch vor eineinhalb Monaten war. Richtig, eineinhalb Monate sind wir nun schon hier! Schon!? Erst!? Ich weiß es ehrlich nicht. Immerhin schon 1/8 unser gesamten Zeit, oder anders gesagt: 12,5%! Das klingt schon nach verdammt viel!

Aber jetzt zum eigentlichen Thema: Endlich wieder Unterricht! Nach fast einem halben Jahr ohne wirklichen Unterricht ging es gestern also (endlich!?) wieder los. Nur halt nicht als Schüler, sondern als Lehrer. Mit Leon zusammen werde ich das nächste halbe Jahr die insgesamt acht achten Klassen mit je einer Stunde in der Woche übernehmen, im zweiten Halbjahr steigen wir dann evtl. um auf die siebten Klassen. Mit acht Stunden in der Woche ist unser Stundenplan jedenfalls echt übersichtlich, besonders, da vier Stunden auf dem Mittwochnachmittag liegen, und damit unser halbes Wochenpensum erfüllt ist. Wir begannen unseren Unterricht gestern erst mal mit zwei Stunden, und unsere Hoffnungen, die durch ein paar, vorherige Gaststunden zustande kamen wurden voll erfüllt: Diese Schüler können wirklich Englisch, zumindest im Verhältnis zu den de beiden anderen Schulen (Yi Zhong & Minzu) und dass, obwohl wir es statt mit eine Oberstufe (nur) mit eine Mittelstufe zu tun haben.

Auf jeden Fall kamen bis jetzt alle Klassen mit unserem Programm zurecht. Natürlich, einige Kommunikationsprobleme gibt es immer, aber im Grunde lief alles fast besser ab, als wir uns das erwünschen konnten. Für alle, die es interessiert ein kurzer Überblick über unsere Stunden: Natürlich steht unsere erste Stunde ganz im Sinne des Vorstellens, dabei stellten Leon und ich uns in einer Art Frage-Antwort-Dialog gegenseitig vor und beantworteten dabei die Fragen nach Name, Alter Herkunft, Lieblingshobby und –Mahlzeit, natürlich auf Englisch. Zwischen jeder Frage durften die Schüler die jeweilige Frage schriftlich für sich beantworten, bevor einige ihre Sätz vor der ganzen Klasse präsentieren durften. Und dabei kam es tatsächlich dazu, dass sich einige Schüler aus freien Stücken heraus meldeten um ihre Ergebnisse zu präsentieren, ein Verhalten, das wir aus den anderen Schulen, wenn überhaupt nur aus den seltensten Fällen kannten. Insgesamt waren eigentlich alles Klassen durchaus offen und interessiert, beteiligten sich echt gut und das alles auch noch mit einem durch und durch akzeptablen Englischniveau. Das alles sorgte dafür, dass die Stunden nicht nur verdammt schnell verstrichen, sondern auch noch wirklich Spaß machten, zum Beispiel, wenn dir Schüler verkaufen wollten, dass sie aus den USA kämen oder bereits 23 Jahre alt wären, oder sie dir erklärten, dass sie irgendwoher Bilder von unserem letzten KTV-Besuch haben.

Auf jeden Fall sind Leon und ich jetzt guter Dinge und motiviert die Schüler vor neue Herausforderungen zu stellen, wobei natürlich auch der Spaß nicht zu kurz kommen darf. Ihr dürft also gespannt sein, was uns noch so alles einfallen wird!

Natürlich dürfen bei diesen Annäherungen zu den Schülern auch die Lehrer nicht zu kurz kommen: Als wir gestern nach erfolgtem Unterricht noch mit einigen Schülern eine Runde Basketball gespielt haben gesellte sich ein älterer Chinese zu uns (wie sich bald herausstellen sollte der Polizeichef von Jinding), dessen Fahne man bereits vernehmen konnte, noch bevor man ihn sah. Auch sein Spielstil deutete auf übermäßigen Alkoholkonsum hin. Wie die Chinesen so sind, ließ er sich dann nicht lange bitten und lud uns auf ein Bierchen in eine Lehrerwohnung, mit dem Kommentar, da wären noch mehr Englischlehrer, ein. Ablehnen wäre schon aus Höflichkeit nicht möglich gewesen, hauptsächlich aber, da er uns im wahrsten Sinne des Wortes mitschleppte. So landeten wir also in der Wohnung eines Englischlehrers und neben dem Gastgeber und dem Polizeichef waren tatsächlich noch zwei drei andere Englischlehreranwesend, die alle einen bereits erhöhten Pegel nachweisen konnten. Als wir ihnen klar gemacht hatten, dass wir ein Bier dem selbstgemachten Schnaps vorziehen würden (aus Höflichkeit mussten wir natürlich auch diesen testen) wurde der Gastgeber nicht müde, sich mindestens fünf Mal zu entschuldigen, dass seine Schwester mit dem Bier noch nicht da sei. Allgemein scheinen Chinesen eine ausgeprägte Vergesslichkeit zu entwickeln, wenn sie unter Alkoholeinfluss stehen. So erklärten sie uns auch mindestens zwanzig Mal, dass der Polizeichef eben jener sei, und dass, sollten wir das chinesische Recht respektieren, er unser Bruder sei und unser Leben verteidigen würde. Einmal meinte er sogar, dass er uns zu Ehren eine Ziege schlachten würde, wenn wir uns an die Gesetzte halten würden.

Als Leon ihnen dann erklären wollte, dass seine Eltern Russisch sprechen könnten, da sie in der DDR gelebt haben war für die Chinesen nur eins klar: die sprechen Russisch, die müssen Russen sein! Als das Gespräch dann später auf Hitler stieß und wir auf ihre Äußerung, der sei ja eigentlich ganz toll, erklärten, dass wir Hitler nicht ganz so super fänden war für sie schon wieder eines klar: die hassen Hitler, die müssen Juden sein! Klingt aus unserer Sicht zwar dämlich und so empfanden wir es auch, aber für die Chinesen war das so klar, dass sie uns den ganzen Abend fragten: Was sagt man eigentlich auf ‚Jüdisch‘, wenn man sich begrüßt oder anstößt? Oder wie heißt das jüdische Wort für …? Unsere Erklärungen, wir seien keine Juden prallten ebenso von ihnen ab, wie Leons Aussage, seine Eltern seine gar keine Russen. Zwischenzeitlich stellte der Gastgeber seinen Freund immer wieder als Polizeichef von Jinding, seine Frau (die später noch dazu kam) als eben diese, oder seinen Hund als eben diesen vor, während der Polizeichef immer wieder versicherte, er wäre unser bester Freund und werde uns beschützen, wenn wir nur chinesischer Recht und chinesische Leute respektieren würden. Dazu kam dann noch, dass einer der Lehrer sich eine Art Touret-Syndrom angetrunken hatte. So begannen seine Augen (oder andere Körperteile) in regelmäßigen Abständen zu zucken und wenn er etwas sagen wollte brachte er nie mehr als die ersten drei Worte heraus, diese dafür mindestens fünf Mal. Man mag jetzt einige Teile nicht richtig verstehen (vielleicht auch, weil es nicht perfekt erklärt ist), jedenfalls bildete dieser Abend das perfekte Drehbuch für eine neue RTL-Show, glaubt mir!

Unser Alltag hat hier nun endlich wirklich begonnen. Die Gesundheit ist bei uns allen relativ akzeptabel und unsere Moral (nicht zuletzt wegen den wirklich guten Unterrichtsstunden) auf einem neuem lokalen Höchstpunkt. Ich hoffe jedenfalls, dass es die nächste Zeit nicht wieder so ruhig wird, auch weil wir am Wochenende wohl Besuch von Julian (unserem Projektleiter) und Karin (neben Leonard die zweite Verlängerin) bekommen werden. Seid also gespannt auf die nächsten Berichte!

Soweit erst mal von mir aus Jinding, bis zum nächsten Mal ;)

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