So viele Freunde!

Es wirkt fast ein wenig, wie die lang erhoffte Oase in der unendlichen Weite der Wüste … Denn nach über sechs Wochen, als einziger Ausländer unter Chinesen, wurde Jinggangshan in den letzten Tagen von einer unglaublichen Masse an Ausländern geradezu überrollt, und der normale Jinggangshanler kann jetzt sicher nachvollziehen, wie sich der patriotische Europäer gerade fühlt – oder auch nicht!

 

Vor nun schon mehr als einer Woche brach ich mit dem Zug auf, nach Nanchang, der Hauptstadt von Jiangxi, um an dem dortigen, internationalen Flughafen die neuen Freiwilligen in Empfang zu nehmen. Also: Nachmittags rein in den Zug und vier Stunden Später, am frühen Abend in Nanchang wieder heraus … an einem Bahnhof, der in einem riesigen Gewerbe- und Wohngebiet steht, oder es zumindest tun wird, wenn sie in einigen Jahren fertig gebaut sind. Denn momentan liegt der Bahnhof lediglich am Ar*** von Nanchang in mitten einer riesigen Baustelle. Also hieß es dann erst mal einen Bus in die eigentliche Stadt zu finden, noch kurz etwas zu essen zu ergattern und dann völlig erschöpft in das erstbeste Hotelbett zu fallen. Morgen sollte schließlich ein ehrwürdiger Tag werden.

Also, nicht lange schlafen, kurz ein wenig Reis frühstücken und mit dem wiedermal erstbesten Bus zum Flughafen, der ähnlich wie der Bahnhof am Ar*** der Stadt liegt … diesmal allerdings am anderen Ende! Und dann hieß es erst mal warten, warten, warten … Da ich die genaue Ankunftszeit der Neuen noch nicht wusste, erschien ich lieber zu früh, denn zu spät und hatte deshalb ein paar Stunden auf dem Flughafen, die tot geschlagen erden wollten! Neben vielen sinnlosen Beschäftigungen wurde die Zeit dann genutzt, um sich mit ein paar Studenten aus Nanchang anzufreunden, die mit über 20 Leuten zum Flughafen gekommen waren um während des ganzen Tages (6 bis 22 Uhr) insgesamt acht Gäste einzusammeln, die ihre Hochschule erwartete … So machen das also die Chinesen. Während ich alleine für lediglich vier Stunden Wartetete um dann ebenfalls acht Personen in Empfang zu nehmen. Aber Naja!

Und dann war es endlich so weit: nach sechs Wochen, 50 Tagen, nach vielen, vielen einsamen Stunden unter Chinesen standen sie also vor mir: die neuen Baumhaus-Freiwilligen aus Jinggangshan für 2015/16 … oder zumindest der größte Teil davon. Das Abenteuer ‚Verlängerer‘ ging also nun wirklich los. Und das auch gleich mit der ersten (größeren) Aufgabe: denn besagte Freiwillige wollten ja noch von Nanchang nach Jinggangshan gelangen. Also direkt (nach ein paar kurzen Willkommensworten) in den nächsten Shuttle und ab zum Bahnhof – diesmal allerdings der Ost-Bahnhof, der direkt in der Stadt liegt, warum man dort nicht auch hin, sondern lediglich ab fahren kann, weiß wohl nur der liebe Gott – und mit dem nächsten Zug nach Jinggangshan. Und weil das ganze viel zu einfach klingt, funktionierte es natürlich auch nicht. Denn tatsächlich fuhren zu dieser Zeit keine Züge mehr nach Jinggangshan, wodurch wir gezwungen wurden, zunächst nach Ji’an, zumindest in die richtige Richtung zu fahren. Dort ging es dann zunächst einmal in ein kuscheliges Hotel (es war mittlerweile neun Uhr abends) und vor dem zu-Bett-gehen gab es dann noch natürlich, wie sollte es in China anders sein, ein erstes, richtig chinesisches Willkommensessen und nach einem mitternächtlichen Verdauungsspaziergang ging es dann endlich ins Bett. Eine kurze Etappe stand am nächsten Tag ja noch an …

Der frühe Vogel fängt den Wurm, weiß jedes Kind! Aber wenn dieser frühe Vogel einfach zu lange den Wurm sucht, verpasst er unter anderem auch schon einmal den Zug … Auf der Suche nach einem typisch chinesischen, Bauzi-Frühstück für die Neuen lief die Zeit dann nämlich ein wenig schneller als erwartet und urplötzlich sahen wir uns durch den Bahnhof, die Sicherheits- und Kartenkontrollen stürmen, mit einigen (ebenfalls etwas verspäteten) Chinesen die Abfahrt des Zuges so lange wie möglich hinaus zu zögern und schließlich doch noch alle, vollzählig im Zug nach Luft ringend. Der letzten Etappe stand nun also nichts mehr im Weg!

Der Rest des Tages war dann eigentlich nur noch chinesisches Standardgetue: Willkommensdelegation am Bahnhof von JGS, Willkommensessen mit Lehrern, Schulleitern und Parteimenschen, Aufteilung und Fahrt zu den Schulen, und Übergabe der Zimmer. Danach dann den ersten gebratenen Reis in der neuen Heimat und einen ersten kleinen Erkundungsspaziergang und dann ab ins Bett!

Vier Tage später bekam die Ausländerfront dann noch einmal Verstärkung, als Joni und Leon in JGS eintrafen. Beide aus meiner Generation, Joni aus Liuku und Leon, mein alter Schulpartner aus Jinding, hatten sich die letzten zwei Monate mit dem Fahrrad von Kunming nach Shanghai durch Südchina gearbeitet und wollten nun noch einmal, bevor es dann bald zurück nach Deutschland geht, ein wenig Urlaub in unmittelbarer Umgebung des Baumhaus-Projektes machen. Damit stieg die Ausländerzahl dann von anfangs lediglich einem (mir) auf dann 11 an … und das ist dann doch schon einmal etwas! Während die Neuen sich allmählich einlebten, die Stadt kennen lernten, mit dem Unterrichten anfingen, erste chinesische Freundschaften schlossen und sich an das Essen gewöhnten gab es für mich noch ein kleines Déjà-vu: weil eine Freiwillige ein kleines Problem mit der Beschaffung des Visa hatte und ihr Visa nicht mehr rechtzeitig ausgestellt werden konnte, reiste sie eine Woche später als die anderen an. Und das hieß für mich dann wieder in den Zug, nach Nanchang, zu dem bekloppten Bahnhof in der Mitte einer Baustelle, durchschlagen zur Stadt, Essen, Hotel, am nächsten Tag zum Flughafen am anderen Ende der Stadt, warten, warten, warten, Shuttle zum Bahnhof (dem anderen) mit dem Zug nach Ji’an, erstes Willkommensessen, mit dem Zug nach JGS … soweit eigentlich bekannt, lediglich mit zwei kleinen Änderungen: so gesellte sich auf der ganzen Tour Ulli, eine der Neuen zu mir um mir ein wenig Gesellschaft zu leisten und zum anderen sparten wir uns die zweite Nacht in Ji’an und nahmen einen Zug um Mitternacht direkt nach JGS. Dadurch wurde die ganze Tour zwar ein wenig erträglicher als mein erster Ausflug und auch die Tatsache, dass ich nun wusste, was kommen würde ist sicherlich positiv zu bewerten, und doch kann man sich in jedem Fall tausend Ding vorstellen, die deutlich schöner sind, als zwei Tage auf der Stracke zu verbringen! Aber naja …

Jetzt sind auf jeden Fall erst einmal alle Ausländer in JGS, die hier in nächster Zeit zu erwarten sind. Für die Neuen beginnt ein aufregendes Abenteuer, mit ganz neuen Erfahrungen, Erlebnissen und Sichtweisen und auch für mich ist ein weiteres, abenteuerliches Kapitel in der Geschichte China angelaufen. All die Erlebnisse, die jetzt auf die Neuen zukommen, die erste Unterrichtsstunde, die ersten kulinarischen Spezialitäten und und und, es ist wirklich erstaunlich, das alles nach dieser langen Zeit wieder hautnah mitzuerleben und sich dadurch auch wieder an meine bescheidenen Anfänge vor nun schon fast vierzehn Monaten zurück zu erinnern und wohl zum ersten Mal so deutlich wie nie zuvor zu realisieren, wie sehr ich mich wohl doch während dieser Zeit verändert habe, wenn man einmal darüber nachdenkt, wie ich jetzt über Fragen lache, die ich vor einem Jahr noch selbst völlig selbstverständlich gefragt habe …

Über meine Erlebnisse und Eindrücke mit und über die Neuen werde ich hier in knapp einem Monat noch einmal ein paar Zeilen verlieren. Nur so viel: alle sind gut angekommen, die Gruppe ist (bis jetzt) einfach Spitze und China hat sie bisher auch noch nicht klein bekommen … die Stimmung ist super!

 

 Jetzt genieße ich noch die letzten Tage mit meinen alten und den neuen Mitfreiwilligen, bevor es dann auch schon bald in den Urlaub mit meinem Bruder zurück in meine alte Heimat, Yunnan geht, ihr dürft also gespannt sein und euch über einen interessanten Urlaubsbericht in zwei, drei Wochen freuen …

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