Arbeit, wo wir Urlaub machen.

30. September 2014

Über drei Wochen sind wir nun schon in China … Zeit für ein wenig Urlaub. Und am besten wäre es natürlich, wenn man dabei sogar noch etwas Sinnvolles machen kann! Also packten Leonard, Leon und ich unsere Taschen und fuhren für einen Kurzurlaub nach Yingpan, einem kleinen Ort knappe zwei Stunden von Lanping entfernt. Natürlich war der Sinn dieser Reise, wie bereits angedeutet nicht nur reines Vergnügen. Stattdessen verbanden wir sie mit dem sogenannten „Scouting“. Wir schauten uns in der Gegend also ein wenig um (primär an abgelegenen Bergschulen), um Möglichkeiten zu finden verschiedene Projekte durch zu ziehen, wie beispielsweise das Kleiderprojekt oder das Hygieneprojekt. Ich entschuldige mich jetzt schon einmal für die Länge der nun folgenden Erzählung:

Das Abenteuer begann bereits bevor wir eigentlich los gefahren waren. Leon und ich trafen uns früh morgens mit Leonard am Busbahnhof von Lanping um uns einen Kleinbus zu suchen, der uns nach Yingpan bringen sollte. Das war auch kein Problem und recht schnell saßen wir in dem entsprechenden Vehikel. Es konnte allerdings noch nicht los gehen, da der Fahrer versuchte, sein Wagen noch möglichst voll zu bekommen, um die Fahrt auch möglichst lukrativ zu gestalten. Der letzte Gast, ein chinesischer Opa, zog aber wieder beleidigt ab, als er erkennen musste, dass der Beifahrersitz bereits belegt war, und dabei wollte er doch so gerne vorne sitzen … Der Fahrer sprach also kurz mit der Chinesin, die sich den begehrten Platz gesichert hatte, diese setzte sich dann auch tatsächlich nach hinten und der Opa, nun vergnügt, wie ein Kind an Weihnachten und dem Geburtstag zusammen, stieg vorne ein und die Fahrt konnte endlich los gehen.

In Yingpan angekommen und nach einer kleinen Nudelsuppe als Mittagessen suchten wir uns nun ein Tuktuk, um möglichst schnell und günstig in die entlegenen Dörfer auf den Bergen zu kommen. Bei Preisen zwischen 60 und 100 Yuan entschieden wir uns dann allerdings, auf diesen Luxus zu verzichten und die Strecker erst einmal zu wandern … würde ja schon nicht allzu lang werden! Dauerte es dann doch, und nach einer guten Stunde hatten wir dann endlich eine Schule ausgemacht. Nicht ganz die, die wir zuerst eingeplant hatten, aber na gut. Der Nachteil war nur, dass diese Schule, warum auch immer, mitten auf einem Berg erbaut wurde, also machten wir uns auf den steilen Weg bergauf. Glück im Unglück: etwa auf halben Weg sammelte uns dann ein Tuktuk-Fahrer ein und brachte uns kostenlos auf den Berg zur Schule.

Dort angekommen wurden wir auch sofort von einer begeisterten Horde von Schülern empfangen. Wir fanden dann auch recht bald heraus, dass die Lehrer gerade Mittagspause machten und die Schüler deshalb auch unbeaufsichtigt über den Schulhof tobten, oder zumindest über die Baustelle, die man als Schulhof betrachtetet. Denn überall standen Baugeräte herum und in einigen Ecken türmte sich der Bauschutt. Generell machte die Schule, und auch die Schüler einen sehr ärmlichen Eindruck auf uns. Die Kleidung der Schüler war größtenteils kaputt, dreckig oder einfach deutlich zu klein und bei ihrer Hygiene sah es nicht wirklich besser aus, was sich hauptsächlich an deren Zähnen, sowie einem miefenden Geruch zeigte, der über dem ganzen Schulgelände zu liegen schien. Und auch die Schule an sich machte keinen besseren Eindruck. Von der Bausubstanz her noch ganz gut, war das Unterrichtsgebäude und speziell die einzelnen Klassen einfach viel zu klein und auch die Einrichtung ließ stark zu wünschen übrig. Die Schüler- und Lehrerunterkünfte hingegen waren einfach nur miserabel. Die Gebäude an sich waren in einem wirklich schlechten Zustand, standen aber immer noch in keinem Vergleich zu den Einrichtungen … einfache Doppelbetten, in denen die Schüler meist nur auf Holzplatten, und dann auch meistens mit zwei bis drei Personen pro Bett schliefen. Im Nachhinein war dies auch die deutlich ärmste Schule, mit den größten Bedürfnissen.

Nachdem die Lehrer dann irgendwann geweckt wurden, setzten wir uns, unter größtem Interesse von Seiten der Schüler zusammen auf den Schulhof und besprachen die Lage: wer wir sind und was wir wollen, was die Schule am dringendsten benötigt und dann noch ein kleinen Rundgang über das Schulgelände und durch die Gebäude; stets verfolgt von einer riesigen Traube an neugierigen Kindern.

Nach einer freundlichen Verabschiedung und der Zusage, dass wir schauen werden, wie wir helfen können, ging es für uns weiter, denn unser eigentliches Ziel, die Schule in Janmen hatten wir ja immer noch nicht erreicht. Nach einer weiteren knappen Stunde half uns ein netter Polizist, indem er uns versicherte, wir müssten nur an der nächsten Brücke den Fluss im Tal (dem Mekong) überqueren und auf der anderen Seite noch 40 Minuten den Berg hoch laufen. Am Fuß des Berges konnten wir dann auf ein Tuktuk aufsteigen, dass uns noch knapp eine Stunde den Berg hinaufbrachte, bevor wir dann endlich die Schule erreichten. Auf dieser Fahrt hatte ich auch erstmalst Angst um mein Leben: mit einem kleinem, schäbigem Tuktuk einen Weg zu befahren, der Steigungen aufweist, die man in den Alpen umsonst suchen würde und zudem eine knapp zwei bis drei Meter breite Mischung aus Wanderweg, Kiesbett und Schlaglochmeer ist, ist vielleicht nicht die beste Idee, aber immer noch besser als Stunden lang den Berg hochzulaufen und letztendlich sollte diese Vortbewegungsart auch einen Großteil unser in Yingpan zurückgelegten Strecke ausmachen. Eins wurde mir aber recht schnell klar: diese Tuktuks sind einerseits nicht für solche Wege gemacht und andererseits sind solche Wege auch nicht für solche Tuktuks gemacht!

Endlich in Janmen angekommen wurden wir hier auch direkt von den Lehrern begrüßt, diese saßen am Eingang zur Schule vor ihrem Wohngebäude, tranken Bier und Rauchten und ab und zu kam ein Schüler vorbei, um sich seine Aufgaben abzeichnen zu lassen, nur um dann wieder in der Klasse zu verschwinden um weiter zu lernen. Auch hier begann dasselbe Spiel von vorne: sich vorstellen, erklären was man will, fragen was die Lehrer zu brauchen meinen und sich die Schule, sowie die Schüler anzuschauen um abschätzen zu können, welche Art von Hilfe am meisten bringt. Im Vergleich zu ersten Schule war die Armut hier jedoch nicht so extrem, die Kleidung und auch der hygienische Zustand der Schüler war durchaus akzeptabel. Deshalb entschlossen wir uns hier ein Projekt von chinesischen Studenten aus Xiamen durchzuführen. Das Prinzip ist, das die Schüler auf Zettel schreiben, welche Arte von Schulsachen sie benötigen oder gerne haben würden, wir dann von diesen Schülern, zusammen mit ihren Wünschen Fotos machen und diese zu den Studenten schicken, die dann mit diesen Fotos dann Spenden auftreiben, die gewünschten Utensilien kaufen und diese zu uns schicken, damit wir sie an die Schüler verteilen können. Nachdem wir also die Fotos gemacht hatten lud uns der Schulleiter zum Abendessen ein und stellte uns auch gleich in Aussicht, dass uns ein Tuktukfahrer, der gerade an der Schule war, nach dem Essen wieder nach Yingpan bringen könne, wo wir die Nacht verbringen wollten.

Also ging es die abenteuerliche Strecke wieder zurück den Berg hinunter, mit dem Unterschied, dass es zwischendurch geregnet hatte (die Strecke also verschlammt war) und es auch noch anfing zu dämmern. Endlich im Tal (und auf einer befestigten Straße) angekommen überraschte uns der Fahrer mit dem Angebot, wir könnten die Nacht ja auch bei ihm zu Hause verbringen. Da hatten wir also das Dilemma: gemütliches Hotel in Yingpan oder Bauernhaus irgendwo in den Bergen, von dem wir nicht wissen, was uns dort erwarten mag … Wir entschieden uns letztendlich für das Abenteuer, nicht zuletzt, weil besagter Fahrer direkt in der Nähe der Schule wohnte, die wir am nächsten Tag zuerst besuchen wollten. Also ging es recht schnell wieder von der Straße ab und auf der anderen Seite des Tals wieder bergauf (natürlich auf den gleichen Straßen wie auf der anderen Seite). Nach noch einmal einer guten Stunde Fahrt (jetzt war es endgültig dunkel), standen wir endlich vor einer kleinen Hütte, die irgendwo in den Berg gebaut wurde. Der Tuktukfahrer und seine Frau empfingen uns wirklich herzlich und servierten uns sofort (ekliges) Bier und (noch ekligeren) Mondkuchen. Dazu legten sie noch eine DVD ein, die uns die nächsten Stunden mit Musik und Tänzen der Minderheiten Yunnans beglücken sollte. Zusammen mit Bier und Kuchen war es, milde gesagt, gewöhnungsbedürftig. Doch es wurde noch besser, als der Fahrer gegen neun verkündete, er würde uns jetzt etwas zu essen zubereiten (wir hatten ja auch nicht gerade Mondkuchen und vor zwei Stunden an der Schule gegessen; von beidem wusste er). Auch unsere Beteuerungen, wir hätten keinen Hunger konnten ihn nicht davon abhalten raus zu gehen und für uns ein Huhn zu schlachten. Gegen elf saßen wir also zu fünft in der zugeräucherten Küche und verspeisten ein ganzes Huhn (ja, ein ganzes! Inklusive Beinen, Kopf, Lungen, Herz und Blut; und natürlich einem ganzen Haufen Knochen). Danach durften wir dann endlich schlafen.

Am nächsten Morgen ging es dann reichlich früh an die nächste Schule, wo die Schüler nicht nur auf dem Hof zu westlicher Popmusik gemeinschaftlich tanzten, sondern wir auch zu einer spontanen Englischstunde genötigt wurden, in der wir Drittklässlern ‚Jingle Bells‘ bei brachten. Knapp zwei Stunden Tuktukfahrt durchs Gelände später (es ging erneut Berg runter, über den Fluss und auf der anderen Seite wieder hoch) erreichten wir die vierte Schule (Lagu), an der uns der Schulleiter erklärte, da jede Schule Uniformen hätte bräuchte auch er welche, dringender als eigentlich alles andere. Wir entschieden uns dann noch nach Lagu Shan zu fahren, was dem Namen nach (übersetzt: Lagu Berg) eine weitere Tuktukfahrt bergauf bedeutete. Wie in Janmen, saßen auch hier die Lahrer auf dem Schulgelände, bei Bier und Zigarette und zeichneten gelegentlich die Aufgaben vorbeikommender Schüler ab. Und unser Fahrer schien eben jene Lehrer sehr gut zu kennen, zumindest gesellte er sich zu ihnen, lachte und trank (Tee) mit ihnen und auch, als wir eine gute Stunde später mit der Besichtigung der Schule fertig waren, machte er keine Anstalten aufbrechen zu wollen. Nach einem diskreten Hinweis des Schulleiters, dass die Ausländer auf ihn warten würden ließ er sich dann doch zur Abreise überreden.

Bei all diesen Berichten darf man natürlich nicht die Armut vergessen, die uns die ganze Zeit umgab. Auch wenn es witzig klingen mag, wie die Schüler auf dem Hof tanzen, so führen sie doch fast alle ein ansträngendes Leben in Armut, mit fast schon katastrophalen, hygienischen Zuständen, mit wirklich zerschlissener Kleidung und ohne große Perspektiven für die Zukunft. Es ist schon erschreckend, dass man nur knapp zwei Stunden von Lanping, in abgeschiedenen Bergdörfern auf solche Armut trifft und dann wird einem auch bewusst, warum Yunnan die ärmste Provinz Chinas ist.

Wir kamen also mit gemischten Gefühlen aus unserem Kurzurlaub nach Lanping zurück. Zum einen die Bedrückung der Armut, die wir erlebten und die ein schon zum Nachdenken anregt und zum anderen der frisch angewachsene Tatendrang, hier in diesem Jahr in China etwas Entscheidendes zu vollbringen oder zumindest einen Schritt in die richtige Richtung zu machen. Und noch etwas wurde uns klar: nämlich wie klein selbst so ein riesiges Land wie China sein kann. Auf unser Rücktour nach Lanping teilten wir uns den Minibus nämlich mit keinem geringeren als Jordan und einigen seiner Freunde.

Hier ist soweit alles ganz gut, nach einigen regnerischen Tagen lässt sich die Sonne nun wieder sehen, sodass wir für unsere freie Zeit in der nächsten Woche schon einige Ausflugstouren geplant haben. Ihr dürft euch also auf neue Reiseberichte freuen. Abgesehen davon laufen unsere Vorbereitungen für die Projektarbeit um Yingpan auf Hochtouren, das nächste Majiangturnier steht auch bald an und ansonsten genießen wir die letzten Tage, in denen wir noch nicht unterrichten müssen.

Für alle die, die bis hier noch gelesen haben: danke (!), beste Grüße an euch alle und nächstes Mal wird’s wieder kürzer … versprochen!


Einmal zum Gipfel und zurück!

5. Oktober 2014

Der Plan sollte wie folgt aussehen: Eigentlich wollten wir uns am Mittwochmorgen gegen sieben Uhr mit Milo treffen um gemeinsam mit ihm auf den Gipfel des Xuebangshan zu wandern, eines ca. 4600 Meter hohen Berges in direkter Nähe zu Lanping; oder zumindest so nah ran wie möglich. Aber da wir hier in China sind, kann man Pläne eigentlich direkt wieder vergessen, was an sich gar nicht so tragisch wäre, wenn Milo nicht irgendwie die chinesische Gelassenheit verlernt hätte, die seine Mitmenschen auszeichnet und an die auch wir uns eigentlich schon recht gut gewöhnt haben.

Wir brachen also am Mittwoch gegen halb neun auf und aus der eigentlich kleinen Gruppe (7 Deutsche & Milo), wurden dann doch noch ein paar mehr … Zunächst gesellte sich Leonards chinesischer Bruder mit zwei weiteren chinesischen Schülern und einer Schülerin zur Gruppe, Carol und ihre Schwester ebenfalls und spontan kamen dann noch Nina und Paul mit, zwei Ehemalige, die vor zwei Jahren an meiner Schule waren und momentan ihre Ferien hier verbringen. Letztendlich brachen wir also eineinhalb Stunden später und mit einer doppelt so großen Gruppe als ursprünglich geplant auf, was Milo bereits vor der eigentlichen Tour den letzten Nerv raubte; und das wiederum raubte uns allen (auch den ganzen Tag über) Nerven, weil Milo immer wieder Stress machte, von wegen wir würden viel zu spät dran sein und die Tour nicht mehr schaffen und von der Gruppe seien die meisten gar nicht richtig motiviert und so weiter …


Letztendlich war es dann aber doch eine richtig schöne Wanderung, die zwar sehr anstrengend, aber wegen der großen Gruppe auch wirklich unterhaltsam war. Man kann das eigentlich gar nicht beschreiben, sondern lieber ein paar Bilder sprechen lassen:

Nachdem wir mit zwei Kleinbussen (die auf Grund der spontanen Gruppenexpansion leicht überfüllt waren) ein gutes Stück an den Gipfel heran gefahren waren, stand uns ein fünf-Stündiger Aufstieg bevor, der zunächst durch Wälder und grüne Wiesen, später über steinige Grade und steile Berghänge führte. Letztendlich erreichten wir doch nicht den höchsten Punkt des Berges, sondern nur den dritten Gipfel, der sich aber dennoch in jeder Hinsicht lohnte, bevor es an den knapp drei-Stündigen Abstieg zum Ausgangspunkt ging. Von Carol, die schnell ihr gesamtes Gepäck auf den Rest der Gruppe verteilt hatte und voller Begeisterung durch die Bergwelt lief und alles Mögliche durch die Gegend rief, bis hin zu Leonards Bruder, der einfach vorlief und auf dem Gipfel auf uns wartete, während wir ihn deutlich weiter unten vermissten und suchten, oder eben Milo, der immer wieder Stress machte und uns zu einem höheren Tempo antrieb, während er selbst an der Grenze seiner Kräfte lief, hatten wir alle einen echt abenteuerlichen und ansträngenden Tag, der aber dennoch verdammt viel Spaß gemacht hat und vor allem durch das wunderschöne Wetter, sowie die herrliche Aussicht belohnt wurde. Und für uns fünf (Philipp, Pascal, Simon, Leon und ich) sollte das erst die Erwärmung sein … aber dazu recht bald mehr im nächsten Blogeintrag!


Die Freiwilligen aus der Tiegersprungschlucht

6. Oktober 2014

Wie bereits erwähnt, war für uns (Philipp, Pascal, Simon, Leon und mich) nach der Besteigung des Xuebangshan noch lange nicht Schluss. Nicht einmal anständiges Ausschlafen am nächsten Morgen war uns vergönnt, denn in alle Frühe ging es für uns mit dem Bus nach Lijiang, ein wenig (knapp vier Stunden mit dem Bus) östlich von Lanping. Wir wollten die Feiertage zum chinesischen Nationalfeiertag nutzen um die Stadt zu besichtige und primär, die bekannte Tigersprung-Schlucht zu durchwandern. Wir stiegen also Donnerstagmorgen, noch erschöpft vom Vortag in den Bus und kamen am frühen Nachmittag in Lijiang an. Nachdem wir etwas gegessen und uns ein sehr charmantes Hotel in einer Seitengasse gesucht hatten, nutzen wir den Rest des Tages für eine kleine Stadtwanderung.

Wir zogen also los, in Richtung der bekannten Altstadt von Lijiang und dort angekommen wurde uns schlagartig klar, warum Lijiang immer als Touristenstadt ausgegeben wird: die gesamte Altstadt glich einem einzigen Konsumtempel, der nur darauf ausgelegt schien möglichst vielen Touristen, möglichst schnell, möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen … und obwohl die gesamte Stadt voll mit (aufgrund der Feiertage hauptsächlich chinesischen) Touristen war, verlor sich doch nicht ihren Charme und letztendlich hat sie doch auch Vorteile, so eine Touristenstadt: Zum einen sahen wir zum ersten Mal seit einem Monat wieder Ausländer und man konnte sich dabei fast vorstellen, was die Chinesen dazu bewegt uns in Lanping hinterher zu glotzen. Außerdem durften wir live Zeugen einiger der größten westlichen Errungenschaften werden: McDonald’s, KFC und Pizza Hut, alles drei direkt nebeneinander … obwohl wir dann doch dem chinesischen Essen treu blieben reichte ihre bloße Anwesenheit aus, um die Stimmung zu heben. Und natürlich erlebt man noch eine ganze Menge mehr in solch einer Stadt wie Lijiang: von Adlern, Affen und Lamas, mit denen man Fotos machen konnte, über unterhaltsame Stadtführer und aufdringliche Straßenverkäufer war für jeden Geschmack das Richtige dabei. Und dabei reichte es eigentlich schon sich an die Seite der Straßen zu setzten und das Treiben zu bestaunen … Wir gingen dann aber auch recht bald zum Hotel zurück, denn das eigentliche Abenteuer wartetet ja noch.

Am nächsten Morgen ging es wieder in aller Frühe in den Bus, wir waren es ja allmählich gewöhnt … und nach noch einmal knapp drei Stunden Fahrt ließ uns der Busfahrer auf einer staubigen Landstraße raus, deutete den Hang hinauf und brauste davon. Nachdem uns ein Bauer ebenfalls den Weg den Hang hinauf bestätigt hatte, zogen wir also los. Zunächst ging es noch recht unspektakulär eine Schotterpiste den Berg hinauf, doch als wir einige hundert Meter über der Straße um den Berg in ein neues Tal (eben jene Tigersprung-Schlucht) einbogen zahlten sich bereits jetzt die Mühen das Aufstieges aus: ein wunderschönes, tiefes Tal, von irgendwo das Brausen eines wilden Flusses und im Hintergrund ein Gebirgszug, der durchaus mit den Alpen oder dem Himalaya mithalten kann rundete das ganze Bild ab. Auch hier kann man eigentlich nur Bilder sprechen lassen (und das werde ich gleich auch) aber ein paar Erlebnisse wollen doch geschildert sein:

Wir zogen also weiter und es ging immer noch steil den Berg hoch und hinter jeder Ecke verliebte man sich nur noch mehr in die unbeschreibliche Schönheit dieser Landschaft. Da verkraftet man es sogar, mit einem Rucksack mitten in der Mittagssonne und ohne nennenswerten Schatten einen steilen Berg hoch zu klettern. Auf dem Weg trafen wir immer wieder auf Bauern, die an Ständen am Wegesrand Getränke, frisches Obst, Schokoriegel und ab und zu auch traditionelle chinesische Medizin, oder einfach nur Marihuana verkauften. Und noch eine Menschengruppe traf man da oben in den Bergen mit großer Vorliebe: Europäer! Während die Chinesen scheinbar zu faul sind um sich durch die Berge zu schleppen, sehen das speziell europäische Studenten scheinbar etwas anders: Italiener, Schweden und eine ganze Menge Franzosen sind nur einige Gruppen, denen wir den Tag über begegneten. Und wie man es kennt, wenn viele Menschen einen Weg gehen, trifft man immer wieder dieselben Menschen, und schließt auch Freundschaften. So lud uns beispielsweise eine Schwedin, die in Shanghai studiert ein, wir können sie ja mal an der Küste besuchen kommen.

So ansträngend die Tour war, so wunderschön war der Ausblick: Mittagessen in einem Dorflokal mit wunderschönen Ausblick über die ganz Schlucht und weiter geht’s. Mittlerweile zum Glück nur noch eben, den Hang entlang. Und weil man das alles eben auch ein wenig genießen will, Fotos machen und sich in keinem Fall hetzt, wurde es bei uns dann zum Abend hin doch recht knapp mit der Zeit, sodass wir uns (urplötzlich) in der Dämmerung wieder fanden und die letzte Stunde im Dunkeln den Berg hinunter kraxeln durften um zum Hostel im Tal zu gelangen, mittlerweile wieder mit den Schweden und einigen Franzosen. So gefährlich das eventuell wirken mag, so wunderschön war es: die düstere, majestätische Schlucht und darüber ein wunderschöner Sternenhimmel, wie man ihn in Deutschland eigentlich nie findet, überstrahlt von dem strahlenden Vollmond, der die ganze Schlucht in ein märchenhaftes Licht tauchte und ganz nebenbei auch den Weg ganz gut ausleuchtete. Als wir dann endlich das lang ersehnte Hostel erreichten (wir waren bis hierhin knapp über zehn Stunden unterwegs) gab es noch ein deftiges Abendessen und dann schnell ins Bett! Das war ja schließlich erst der erste Tag …

Am nächsten Morgen mieden wir die steilen Hänge der Schlucht, sondern wanderten noch einmal zum Fluss am Fuß der Schlucht um einen der drei, namensgebenden Tigerfelsen zu bestaunen … Dank der Schatten der Berge war der Weg hinunter noch ganz angenehm und schließlich standen wir auf Felsen am Ufer des Flusse und sahen dem wilden Treiben zu, das wir ja bereits am Vortag vernommen haben. Bilder! Ihr seid dran …

Der Aufstieg zurück zur Straße erwies sich dann, aufgrund der mittlerweile hoch am Himmel stehenden Sonne als deutlich ansträngender, als noch der Hinweg. Steile, in den Fels gehauene Stufen und alte, rostig Leitern brachten uns zwar schnell, aber auch verdammt ansträngend zurück zur Straße. Da wir noch einige Stunden Zeit hatten, bis uns der Bus wieder nach Lijiang bringen sollte, genehmigten wir uns zunächst ein gutes Mittagsessen (wieder mit einer wundervollen Aussicht) und zogen danach zu einem abgelegenen Wasserfall um noch einmal ‚duschen‘ zu gehen; die Schweden und Franzosen vom vorigen Abend waren übrigens wieder dabei. Nach der erfolgreichen ‚Dusche‘ konnte jeder von uns ein Lied davon singen, was kalt wirklich bedeutet, denn gefühlt war das Wasser nur nicht gefroren, weil es ja den Berg runter fließen musste …

 

Das war dann auch schon fast das Ende unserer ersten China-Reise. Wieder in Lijiang genossen wir den letzten Abend bei einem kühlen Bier in einer urigen Kneipe in der Altstadt und stießen auf dieses einmalig tolles Erlebnis an …

Jetzt in Lanping genießt man wirklich wieder das vertraute Umfeld der neuen Heimat, Leon und ich freuen uns auf unsere ersten Unterrichtsstunden, die die nächsten Tage los gehen werden und Leonard kommt auch demnächst aus Kunming wieder, wo er seine Familie abholt, die ihn für einige Wochen hier besucht. Ihr seht also: hier ist alles gut, das Leben nimmt seinen Lauf und voller Schrecken haben wir feststellen müssen, dass der erste von zwölf Monaten bereits verstrichen ist … wie schnell das alle geht!